ANTICHOLIUM®
ANTICHOLIUM® (aktive Substanz: Physostigminsalicylat) ist ein reversibler Cholinesterase-Hemmer, der den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin verzögert. Dies führt zu einer Erhöhung der Konzentration von Acetylcholin und damit zu einer Steigerung der Aktivität des Parasympathikus. ANTICHOLIUM® wird eingesetzt:
- Zur Behandlung postoperativ auftretender Störungen
- Als Antidot bzw. Antagonist bei Vergiftungen bzw. Überdosierung mit verschiedenen Substanzen (siehe Indikationen)
Detaillierte Informationen
Indikationen
Zur Behandlung postoperativ auftretender Störungen:
- Zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS)
- Verzögertes postoperatives Erwachen
- Kältezittern (Shivering)
Als Antidot bzw. Antagonist bei Vergiftungen bzw. Überdosierung mit:
- Alkohol
- Tropanalkaloiden (Hyoscyamin, Atropin, Scopolamin, z.B. in Engelstrompete, Stechapfel, Tollkirsche)
- Panther- und Fliegenpilz
- Trizyklischen Antidepressiva (Amitriptylin, Imipramin, Trimipramin, Clomipramin, Doxepin)
- Antiemetika/Antihistaminika (Phenothiazin, Thioridazin, Chlorpromazin, Promethazin, Diphenhydramin, Dimenhydrinat)
- Neuroleptika (bes. Butyrophenone)
- Benzodiazepinen
- Spasmolytika (Tolderodin, Oxybutynin)
- Antiparkinsonmitteln (Amantadin, Diphenhydramin)
- Baclofen, 4-Hydroxybutansäure (GHB)
- Inhalationsanästhetika
- Ketamin
- 3-Chinuclidinylbenzilat
Vorteile
- Schneller Wirkbeginn bereits wenige Minuten nach i. v.-Applikation
- Ca. 45 Minuten anhaltende Wirkung
- Halbwertszeit ca. 25 Minuten
- Antagonisiert opiatbedingte Atemdepression und Somnolenz
- Erhält bzw. verstärkt die Analgesie
- Behebt Gedächtnisstörungen
- Antagonisiert die Atemdepression durch Diazepam
- Erleichtert den Übergang zur Spontanatmung nach Langzeitsedierung
Wirkmechanismus von ANTICHOLIUM®
Der Wirkstoff von ANTICHOLIUM®, Physostigmin, verzögert als Hemmstoff des Enzyms Acetylcholinesterase den Abbau des Botenstoffes Acetylcholin in den cholinergen Synapsen. Dadurch wird die Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt erhöht, was zu einer Steigerung der Aktivität des Parasympathikus führt. Die Wirkung von Physostigmin nach i. v.-Applikation tritt bereits nach wenigen Minuten ein und dauert etwa 45 Minuten an.
Die Eliminationshalbwertzeit von Physostigmin nach intravenöser Applikation liegt zwischen 18 und 30 Minuten.
Die Rolle von Acetylcholin und der Acetylcholinesterase bei der Reizweiterleitung
Acetylcholin (ACh) ist einer der häufigsten Neurotransmitter, der eine wichtige Rolle im zentralen und im peripheren Nervensystem spielt.Das Enzym Acetylcholinesterase (AChE) ist für den Abbau von Acetylcholin verantwortlich.
Die Wirkung von anticholinerg wirksamen Substanzen
Anticholinerge Substanzen (ACS) blockieren die Wirkung von Acetylcholin, z. B. durch Bindung an die Acetylcholin-Rezeptoren.
Die Wirkung von ANTICHOLIUM® zur Anhebung des Acetylcholinspiegels
ANTICHOLIUM® hemmt die Cholinesterasen, wodurch eine Erhöhung der Acetylcholin-Konzentration im synaptischen Spalt erreicht wird. Anticholinerge Substanzen werden von den Acetylcholinrezeptoren verdrängt und die Wirkung von Acetylcholin wird wieder hergestellt.
Wirkmechanismus von ANTICHOLIUM® beim cholingergen anti-inflammatorischen Reflex
Operationen, Ischämien, Verletzungen und andere „Ereignisse“ können die Ursache für eine Inflammation sein. Die Inflammation wird über den afferenten Nervus vagus zum Gehirn gemeldet, wo über einen Reflex die Ausschüttung der proinflammatorischen Zytokine reguliert wird. Acetylcholin besetzt die α7-Untereinheit des nikotinischen Rezeptors am Makrophagen und hemmt so die Ausschüttung der proinflammatorischen Zytokine. Das Gleichgewicht zwischen pro- und anti-inflammatorischen Zytokinen wird dadurch wiederhergestellt.
modifiziert nach 1
SARS-CoV-2 und das cholinerge System
Neueste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass SARS-CoV-2 mit dem nikotinischen Acetylcholinrezeptor (nAChR) interagiert2. Die daraus resultierende verminderte Wirkung von Acetylcholin führt zu einem massiven Zytokinsturm, der die weiteren inflammatorischen Prozesse beschleunigt und zum Ausfall von Organsystemen im Rahmen der SARS-CoV-2 Infektion führen kann.
modifiziert nach 2
ANTICHOLIUM® beim (anticholinergen) Delir
Gemäß ICD-10-Definition handelt es sich bei dem Delir „um ein ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom, das charakterisiert ist durch gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins einerseits und mindestens zwei der nachfolgend genannten Störungen andererseits: Störungen der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität oder des Schlaf-Wach-Rhythmus“.
Ein das Delir begünstigender Faktor ist ein Ungleichgewicht des Neurotransmitter-Haushalts. Dabei spielt ein erniedrigter Acetylcholin-Spiegel eine zentrale Rolle, der etwa durch den Einsatz von anticholinerg wirksamen Pharmaka hervorgerufen werden kann.
ANTICHOLIUM® kann dabei helfen, durch eine Anhebung des Aceytlcholinspiegels den cholinergen Transmitterhaushalts positiv zu beeinflussen.
Die Messung der Acetyl- und Butyrylcholinesterase-Aktivitäten, die als Biomarker für eine cholinerge Dysbalance fungieren können3,4 kann bei Delir-Patienten „eine Hilfestellung in der Indikationsstellung zur Applikation von Physostigmin in der Delirtherapie sein“3.
Weitere Informationen zur Messung der Cholinesterase-Aktivität mit LISA-CHE® finden Sie unter www.lisa-che.com.
FAQs
Wie wird ANTICHOLIUM® verabreicht?
ANTICHOLIUM® wird idealerweise in 50 ml physiologischer NaCl-Lösung über 15 Minuten als Infusion verabreicht. Damit wird gewährleistet, dass der Acetylcholinspiegel langsam steigt und Nebenwirkungen, die durch eine zu schnelle Gabe auftreten können, vermieden werden.
Wie wird ANTICHOLIUM® dosiert?
Bei Erwachsenen wird ANTICHOLIUM® in der Regel initial körpergewichtsbezogen (0,04 mg/kg KG) verabreicht.
Detaillierte Angaben zur Anwendung bei Erwachsenen und Kindern finden Sie in der Gebrauchs- und Fachinformation.
Ist ANTICHOLIUM® eine sichere Substanz?
Ja, ANTICHOLIUM® ist eine sehr sichere Substanz.
Vier aktuelle Studien, die sich mit dem Einsatz von Physostigmin beschäftigen, zeigen, dass Physostigmin ein günstiges Sicherheitsprofil besitzt5-8.
Literatur
Quellenverzeichnis
1) Tracey KJ (2007), Physiology and immunology of the cholinergic antiinflammatory pathway, J Clin Invest, 117(2):289.
2) Farsalinos K et al. (2020), Nicotinic Cholinergic System and COVID-19: In Silico Identification of an Interaction between SARS-CoV-2 and Nicotinic Receptors with Potential Therapeutic Targeting Implications, Int J Mol Sci, 21(16): 5807.
3) Barth E et al. (2019), AChE- und BChE-Aktivität als Entscheidungshilfe für die medikamentöse Therapie von Delir und kognitiver Dysfunktion bei Intensivpatienten, Anästh Intensivmed, 60:233.
4) Adam EH et al. (2020), Cholinesterase alterations in delirium after cardiosurgery: a German monocentric prospetive study, BMJ Open, 10:e031212.
5) Nguyen TT et al. (2017), Adverse events from physostigmine: An observational study, Am J Emerg Med, 36(1):141.
6) Rasimas JJ et al. (2018), Revival of an antidote: bedside experience with physostigmine, Toxicol Commun, 2(1):85.
7) Pinder N et al. (2019), Effect of physostigmine on recovery from septic shock following intra-abdominal infection – Results from a randomized, double-blind,placebo-controlled, monocentric pilot trial (Anticholium® per Se), J Crit Care, 52:126.
8) Arens AM et al. (2018), Safety and effectiveness of physostigmine: a 10-year retrospective review, Clin Toxicol, 56(2):101.


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